Widerruf grdsl. steuerfrei - BFH hat entschieden

Der Fall:

Ein Ehepaar hat nach Jahren aufgrund des „ewigen Widerrufsrechts“ den Kredit für sein Eigenheim widerrufen und erhielt bei der dadurch ausgelösten Rückabwicklung von der Bank einen sog. Nutzungsersatz. Die Bank führte von dem Nutzungsersatz die Kapitalertragsteuer an das Finanzamt ab. Das Finanzamt setzte im Einkommensteuerbescheid für den Nutzungsersatz eine (Kapitalertrag-)Steuer fest. Gegen den Steuerbescheid wurde Einspruch erhoben, dem das Finanzamt nicht abhalf. Die dagegen gerichtete Klage zum Finanzgericht blieb zunächst erfolglos.


Die Entscheidung:

Das höchste deutsche Steuergericht (Bundesfinanzhof, BFH) folgte mit seinen Urteilen vom 07.11.2023, u.a. VIII R 30/19, VIII R 7/21, ausdrücklich unserer Auffassung, dass der Nutzungsersatz, den ein Verbraucher bei der Rückabwicklung seines Darlehens nach einem Widerruf von einem Kreditinstitut erhält, steuerfrei ist, weil der Darlehenswiderruf keine erwerbsgerichtete Tätigkeit ist und das Rückabwicklungsverhältnis steuerlich und wirtschaftlich als Einheit zu betrachten ist.

 

Das erste (VIII R 30/19) und acht weitere Revisionsverfahren zu diesem Thema wurden von der Kanzlei HÜBNER geführt.

 

Darlehenswiderrufe wurden seit Beginn der Niedrigzinsphase (ab ca. 2011/2012) bis zum 21.06.2016 (Gegensteuern des Gesetzgebers durch Einführung des Art. 229 § 38 Abs. 3 EGBGB) in großem Umfang durch Verbraucher erklärt, was zu einer regelrechten Klagewelle geführt hatte. Die gesetzliche Widerrufsfrist beträgt bei Verbraucherdarlehen zwar nur 2 Wochen, jedoch begann diese Frist gar nicht zu laufen, wenn das Kreditinstitut nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht belehrte – und das kam sehr häufig vor.

 

Der Vorteil eines Widerrufs lag für den Verbraucher darin, dass er sich von einem teuren Darlehen lösen konnte und ein neues Darlehen zu niedrigerem Zinssatz aufnehmen konnte. Außerdem hatte die Bank die bis zum Widerruf gezahlten Zins- und Tilgungsraten zugunsten des Verbrauchers zu verzinsen (Nutzungsersatz).

 

Das BMF hat eine Dienstanweisung vom 18.01.2016 an die Finanzämter mit dem Inhalt herausgegeben, dass die Zahlung eines solchen Nutzungsersatzes der Einkommensteuer unterläge als „Ertrag aus sonstigen Kapitalforderungen“ (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Da die Banken und Sparkassen nach § 44 EStG die „im Bundessteuerblatt veröffentlichten Auslegungsvorschriften der Finanzverwaltung“ insofern zu beachten haben, führten die Kreditinstitute dann auch eine Kapitalertragsteuer an das Finanzamt ab.

 

Die Finanzämter hielten sich auch an die Vorgaben des BMF und behandelten den Nutzungsersatz in den Einkommensteuerbescheiden als „Einkünfte, die nach § 32d EStG besteuert werden“ (Abgeltungsteuer in Höhe von max. 25 % bei Kapitalerträgen).

Die Finanzbehörden hatten sich dabei auf den Standpunkt gestellt, dass der Nutzungsersatz ein Zins auf die Darlehensraten sei und alle Zinseinkünfte nach der Auffangvorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu versteuern seien.

 

Wir waren jedoch der Überzeugung, dass die Finanzämter das Zusammenspiel von Bankrecht und Steuerrecht nicht richtig einordnen und reichten darum für mehrere unserer Mandanten Klagen bei den Finanzgerichten ein, die sämtlich abgewiesen wurden. Wir blieben aber beharrlich und legten Revision bei dem BFH ein.

 

Der BFH folgte nun unserer Auffassung, dass der Nutzungsersatz nicht von der übrigen Rückabwicklung isoliert zu betrachten ist. Vielmehr ist die Rückabwicklung als steuerlich und wirtschaftlich einheitlicher Vorgang zu betrachten. Und aus der Rückabwicklung insgesamt erzielt der Verbraucher keine Einnahmen, die aus einer „erwerbsgerichteten Tätigkeit“ stammen.

https://www.bundesfinanzhof.de/de/presse/pressemeldungen/detail/rueckabwicklung-eines-verbraucherdarlehensvertrags/

 

Die erste Revision zu dieser Frage wurde von uns am 13.09.2019 eingelegt (VIII R 30/19) und am 07.11.2024 mündlich verhandelt. Das Urteil (VIII R 7/21) wurde am 21.03.2024 zugestellt.

 

Verbraucher, die ein Darlehen widerrufen hatten, aber keinen Einspruch gegen ihren Steuerbescheid eingelegt haben, können bei ihrem Finanzamt die Änderung ihres Steuerbescheids nach § 164 AO beantragen, soweit der Steuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist.

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